Die Logik der Verdinglichung – 15.5.2021
Die derzeitige Grundrechtskrise ist logische Konsquenz der Entfremdung des Menschen von sich selbst, oder konkreter gesagt:

der Verdinglichung innerhalb des Spätkapitalismus.
Es ist weder ein aufgrund äußerer, nicht beherrschbarer Umstände (Virus) hervorgerufener Ausnahmezustand, noch ein orchestrierter Angriff auf ein ansonsten doch eigentlich ganz gutes gesellschaftliches System.
Beide Sichtweisen, die oftmals im Lager der Grundrechtseinschränkungsbefürworter zu hörende „Ausnahmezustandsthese“, genau wie die aus dem Lager der Grundrechtseinschränkungskritiker zu hörende „Angriffsthese“, ignorieren die Logik der dezeitigen gesellschaftlichen Entwicklung.
Die Entfremdung oder Verdinglichung des Menschen zugunsten einer gesellschaftlichen Totalität ist inhärenter Teil des spätkapitalistischen Systems, eigentlich des hierarchokratischen Systems überhaupt. In diesem System gilt der Mensch in erster Linie nicht als das Individuum, der Mensch wird nicht als ein für sich und aus sich selbst heraus gerechtfertigtes Wesen geachtet, sondern lediglich als Funktion innerhalb einer Superstruktur namens Staat oder Wirtschaftssystem betrachtet.
Der Mensch wird zum Arbeiter oder Produzenten reduziert, oder zum Verwalter von Kapital und Kapitalinteressen. Am anderen Ende der Wertschöpfungskette muss er als Konsument fungieren, dessen unstillbarer Hunger nach mehr durch Kultur- und Werbeindustrie mit ihren leeren Versprechungen erzeugt wird. Außerdem ist er Steuerzahler zur Finanzierung, Wähler zur Legitimierung, er ist Erzieher und Reproduktionseinheit, auf dass auch in der nächsten Generation wieder willfährige Produzenten, Konsumenten, Steuerzahler und Wähler zur Verfügung stehen werden.
Die Totalität dieses Systems war auch schon vor 2020 erschreckend. Der erste Briefes, den ein Neugeborenes im Allgemeinen bekommt ist vom Finanzamt, und enthält seine Steueridentifikationsnummer. Schulpflicht zwingt Kinder und Familien in enge Korsetts von Zwang und Gehorsam – Aufenthaltsort und der Tagesrhytmus, Benimmregeln und gedankliche Weltaneignungen werden so diktiert.
Menschen die sich dem allgemeinen Arbeitswahn der richtung Selbstvernichtung weisenden Überproduktion verweigern, werden massiv unter Druck gesetzt – nicht nur durch Ämter sondern auch durch den allgegenwärtigen Mietzwang, der wohl einer der effektivsten Wege der Umverteilung von Unten nach Oben darstellt.
Dass nun der totalitäre Anspruch des Staates auf die Ebene der schieren Körperlichkeit vordringt, hat eine eigentlich absehbare und dem System inhärente Folgerichtigkeit. Der Blick auf den Menschen wird verengt; er wird – ganz im Sinne der verdinglichenden Entmenschlichung – zu einem potentiellen Erregerreservoir, zu einem mutmaßlichen Ansteckungsvektor, zu einer Gesundheitsgefahr. Damit wird die Souveränität des Menschen, die sich nicht zuletzt auch immer in konkreter Körperlichkeit manifestiert, noch weiter zurückgedrängt – bis hin zu ihrer Negation.
Auch dieser Übergriff ist selbstverständlich nichts neues. Beispiele von Eingriffen in die körperliche Integrität sind auch schon vor 2020 Teil von staatlicher Übergriffigkeit gewesen. Das krasseste Beispiel, und seltsamerweisee ein allgemein wenig kritisiertes, ist das Betäubungsmittelgesetz, welches mündigen Menschen vorschreibt, was sie sich reinpfeifen dürfen und was nicht. Da geht es selbstredend um die Gesundheit des „Volkskörpers“.
Ein anderes Beispiel ist die immer noch illegalisierte Abtreibung, bei welchem der Staat seine Verfügungsgewalt über den weiblichen Körper, welcher aus staatlicher Sicht wohl nicht mehr ist als ein Volksbrutkasten, ausübt.
Die dezeitige Entwicklung ist also nicht mehr und nicht weniger als eine Verschärfung schon vorher exerzierter und allgemein akzeptierter Übergriffigkeit. Ich und mein Körper gehören nicht mir, sondern haben dem Großen und Ganzen zu dienen, und sich damit selbstverständlich auch der kapitalistischen Verwertungslogik zu unterwerfen.
Die Impfung nun, die mithilfe staatlichen Marketings und nur schlecht verschleierter Zwangsmittel den Menschen aufgedrängt wird, ist da lediglich ein weiterer Schritt. Damit soll die derzeitige Entwicklung keinesfalls verharmlost werden, im Gegenteil – aus der Erkenntnis, dass sie ja eine Zwangsläufigkeit des schon Vorausgegangenen ist, ergibt sich die Notwendigkeit zur Radikalisierung der Kritik!
Die Kritik hat bei der systemimmanenten Verdinglichung des Menschen durch Ausgebeutetwerden und Ausbeuten, durch das Herrschen und Beherrschtwerden anzusetzen. Sowohl die naive Deutung der derzeitigen Situation als Ausnahmezustand, wie auch das Postulat eines orchestrierten Angriffs von Außen dient letztendlich nur der Rechtfertigung eines grundfalschen, unterdrückerischen und menschenfeindlichen Systems.