Sechs Minuten Frühling

21.4.2021

von Kilian Brunn

Es ist viertel vor zehn. Vielleicht darf ich also in 24 Stunden und 15 minuten nicht mehr vor die Tür – um eine Kippe zu rauchen.

Da fällt mir ein, ich rauche ja gar nicht mehr, ich bin insofern privilegiert, als dass ich gar nicht mehr vor die Tür muss; ich kann einfach zuhause w e i t e r a t m e n .

Einen Hund habe ich nach einem Jahr Kollektivneurose immer noch nicht; ich könnte einfach damit anfangen, mich nachts selber zum Gassigehen auszuführen – als eine Form verschärfter Selbstermächtigung.

Wofür brauche ich ein „Draußen“ überhaupt!?

Habe ich nicht einen schönen, sonnigen Hinterhof – ist es doch Frühling, ich bin fast noch jung, die Sonne scheint, oder nachts schaue ich einfach dem Mond ins Gesicht. So wie jetzt gerade. Ich sehe zum Mond hinauf, dann sehe ich wieder in den Bildschirm.

Es sind sechs Minuten vergangen.

Vielleicht ist es so, dass ich in 24 Stunden und neun Minuten nicht mehr werde hinausgehen dürfen.

Es sei denn… ich jogge. Alleine.

Nun gilt dasselbe auch für meine Freundin.

Auch sie darf joggen gehen.

Alleine. Im Park.

Wie gut, dass sie keine Angst hat; nachts, alleine, im Park.